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DIE AUSWIRKUNGEN DER MINDESTLOHNERHÖHUNG AUF WIRTSCHAFT, TARIFVERTRÄGE UND LOHNSTRUKTUREN

Der gesetzliche Mindestlohn ist ein politisch wie wirtschaftlich hoch umstrittenes Instrument der Arbeitsmarktregulierung.

11.07.2025

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Seit seiner Einführung zum 1. Januar 2015 mit einem Startwert von 8,50 Euro markierte der Mindestlohn einen historischen Eingriff in die bis dahin weitgehend autonome Tarifpolitik der Bundesrepublik. Während er ursprünglich als Schutzmaßnahme gegen unangemessen niedrige Löhne gedacht war, um Erwerbsarmut zu verringern und die Tarifbindung zu stärken, hat er sich im Laufe der Jahre zu einem Politikum mit wachsender Eingriffstiefe entwickelt. 

Am 27. Juni 2025 hat die Mindestlohnkommission ihre Empfehlung für eine erneute Anhebung abgegeben. Der Mindestlohn soll in zwei Stufen zunächst auf 13,90Euro (ab Januar 2026) und danach auf 14,50Euro (ab Januar 2027) steigen. Die Entscheidung wurde auf Basis eines Vermittlungsvorschlags einstimmig gefällt. Nach der Geschäftsordnung der Kommission sollen sich die Anpassungen am allgemeinen Tariflohnniveau, an der Kaufkraft und am Bruttomedianlohn orientieren. Dennoch zeigt ein Vergleich: Während die Tariflöhne zwischen 2022 und 2025 um rund 14,3Prozent stiegen, beträgt der Anstieg des Mindestlohns im gleichen Zeitraum über 30 Prozent. Eine klare Orientierung an der Tarifentwicklung lässt sich somit kaum erkennen. 

Diese Dynamik bringt erhebliche Herausforderungen für die Wirtschaft mit sich. Insbesondere tarifgebundene Branchen mit geringen Einstiegslöhnen wie das Handwerk, das Gastgewerbe oder der Einzelhandel sehen sich gezwungen, ihre untersten Lohngruppen an das steigende Mindestlohnniveau und darüber hinaus anzupassen. Diese tariflichen Eingruppierungen verlieren dabei zunehmend ihre Differenzierungsfunktion. Wenn die unterste Tarifgruppe durch den gesetzlichen Mindestlohn überboten wird, ohne dass gleichzeitig alle darüber liegenden Gruppen entsprechend angehoben werden, kommt es zu einer Nivellierung der Entgeltstrukturen – mit potenziell destabilisierenden Folgen für das gesamte Tarifsystem. 

Kritisch wird dabei insbesondere das Lohnabstandsgebot verletzt, ein zentrales Prinzip der tariflichen Ordnung. Dieses besagt, dass höher qualifizierte oder verantwortungsvollere Tätigkeiten auch spürbar besser vergütet werden müssen als einfache Tätigkeiten. Wenn die Lohnschere durch Mindestlohnerhöhungen jedoch immer weiter zusammenschiebt, verlieren Qualifikation, Erfahrung und Leistungsbereitschaft an ökonomischer Attraktivität. Dies kann zu Demotivation unter Fachkräften, zur Verringerung von Aufstiegsperspektiven und langfristig zu einer Erosion der Tarifbindung führen. 

Auch politisch ist der Mindestlohn zunehmend zum Zankapfel geworden. Parteien wie die SPD, die Grünen und die Linke fordern öffentlichkeitswirksam ein Mindestlohnziel von 15Euro – teils verbunden mit dem Vorschlag, die unabhängige Mindestlohnkommission durch eine rein politische Festlegung zu ersetzen. Dabei wird fälschlich auf die EU-Mindestlohnrichtlinie verwiesen, die jedoch keine verbindliche Lohnhöhe vorgibt, sondern lediglich Methoden zur Berechnung empfiehlt – etwa einen Mindestlohn in Höhe von 60Prozent des Bruttomedianlohns. 

In diesem Zusammenhang ist es zumindest positiv zu bewerten, dass sich die Mindestlohnkommission dem politischen Druck bislang entzogen und einen eigenständigen Beschluss gefasst hat. Gleichwohl bleibt festzuhalten: Die aktuellen und angekündigten Erhöhungen haben reale wirtschaftliche Konsequenzen. Arbeitgeberverbände wie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) oder die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) warnen vor Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt, steigender Belastung für kleine und mittlere Unternehmen und einem Verlust tariflicher Steuerungsfähigkeit. Der Handelsverband Deutschland (HDE) kritisiert zudem, dass die Mindestlohnerhöhung in strukturschwachen Regionen teils existenzgefährdend für Betriebe sei. 

Unterm Strich bleibt die Erhöhung des Mindestlohns ein Balanceakt zwischen sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Tragfähigkeit. Um dem Mindestlohn seine Schutzfunktion zu erhalten, ohne dabei die tariflichen Differenzierungen zu gefährden, braucht es künftig eine stärkere Einbettung in die tarifpolitische Logik – sei es durch eine Reform der Mindestlohnkommission, durch branchenspezifisch abgestufte Löhne oder durch eine echte Stärkung der Tarifbindung. Andernfalls droht der Mindestlohn vom sozialpolitischen Schutzinstrument zur tarifpolitischen Abrissbirne zu werden. 


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