Im Koalitionsvertrag hatte die Regierungskoalition festgelegt, ein Bundestariftreuegesetz (BTtG) auf den Weg zu bringen. Ziel sei es, die Tarifbindung in Deutschland zu stärken. Der vorliegende Gesetzentwurf verfehlt dieses Ziel jedoch grundlegend: Statt Anreize für mehr Tarifbindung zu setzen, schafft er sogar Gründe, sich der Tarifbindung zu entziehen. Dies liegt insbesondere daran, dass das BMAS mit seiner vorgesehenen Verordnungsermächtigung über die Abschlüsse der Sozialpartner hinweggeht und im Vergabeverfahren eigenständige Vertragsbedingungen definiert. Damit werden tarifliche Vereinbarungen entwertet und die Tarifautonomie substantiell geschwächt.
Seit dem Kabinettsbeschluss am 6. August 2024 folgte am 29. September die Stellungnahme im Bundesrat. Am 13. Oktober fand die erste Lesung im Bundestag statt, gefolgt von der öffentlichen Anhörung im Ausschuss am 21. Oktober. Ursprünglich war vorgesehen, dass die zweite und dritte Lesung im Bundestag am 6. November stattfinden. Am 6. November tauchten die geplanten zweiten und dritten Lesungen jedoch überraschend nicht auf der Tagesordnung des Bundestages auf. Damit verzögert sich das weitere parlamentarische Verfahren erheblich. Der zeitliche Druck ist aus dem Verfahren herausgenommen – und das eröffnet Spielräume für notwendige Korrekturen. Sollte nichts Unvorhersehbares geschehen, ist davon auszugehen, dass das Bundestariftreuegesetz in diesem Jahr nicht mehr abschließend beraten wird. In der Folge erscheint auch das ursprünglich angestrebte Inkrafttreten zum 1. Januar 2026 zunehmend unrealistisch – zumindest auf Basis des bisherigen Zeitplans.
Der HDH hat sich im gesamten Jahr intensiv dafür eingesetzt, dass das Gesetz in dieser Form nicht verabschiedet wird. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass tarifgebundene Unternehmen per Definition vom Anwendungsbereich des Gesetzes auszunehmen sind. Insbesondere innerhalb der SPD besteht hierfür jedoch bislang wenig Verständnis – stattdessen wird das Vorhaben als politisches Prestigeprojekt vorangetrieben, ohne die erheblichen praktischen Folgen für Tarifautonomie und Wirtschaft hinreichend zu berücksichtigen. Dass die weitere Beratung nun unerwartet ausgesetzt ist, ist ein wichtiges Signal, auch wenn keine Entwarnung gegeben werden kann. Ob die Koalition die Kraft hat, den Entwurf grundlegend zu überarbeiten, bleibt abzuwarten. Der HDH wird sich auch 2026 mit Nachdruck dafür einsetzen, dass ein Bundestariftreuegesetz in dieser Form nicht Realität wird.